Mittwoch, 3. September 2008

Reichtum nutzen, Armut bekämpfen, Mittelschicht stärken

unter dieser Überschrift findet man hier die selbstkritischen Feststellungen und die sich hieraus ergebenden Forderungen zu den Folgen der Agenda 2010 Politik der SPD durch den inken Flügel dieser Partei. Hier erkennt man die Zerrissenheit dieser Partei, die leider eine Reihe von führenden Mitgliedern hat, die vergessen haben wofür das "S" im Parteinamen steht. Hier der Text dieses Papiers und die Liste der Erstunterzeichner:
Der Befund des neuen Armuts- und Reichtumsberichts (ARB) der Bundesregierung zu den Lebenslagen in Deutschland fordert eine sozialdemokratische Antwort. Die Einkommensverteilung klafft so weit auseinander wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Ursache ist die Deregulierung des Arbeitsmarktes und die Schwächung der Tarifautonomie. Aber auch Bund und Länder werden in den letzten Jahren immer weniger ihrer Aufgabe gerecht, durch eine entsprechende Finanz-, Steuer-, Vermögensbildungs- und Sozialpolitik die Einkommen je nach sozialer Belastbarkeit und zum Wohle der Allgemeinheit umzuverteilen.
Das alles führt dazu, dass:
  • die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht,
  • die Angst der Mittelschicht vor Armut wächst und
  • die Aufstiegsmöglichkeiten geringer werden, weil die Eliten sich zunehmend
    abschotten.


Vermögensverteilung und Armutsrisiko

Die zunehmende Spaltung zwischen Arm und Reich zeigt sich vor allem in der Verteilung der
Vermögen. Rund zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland verfügen über kein oder nur
ein sehr geringes Vermögen (laut 3. Armuts- und Reichtumsbericht besitzen 50% der Bevölkerung lediglich 2% des Vermögens). Andererseits verfügen die wohlhabendsten 10% der Haushalte über mittlerweile fast 60% des gesamten Vermögens (2. ARB: 46,5%). So steigerten allein die 300 reichsten Deutschen im letzten Jahr ihre Vermögen um 80 Milliarden
Euro auf 475 Milliarden Euro.
Das Armutsrisiko lag im 1. ARB bei 12,1%, im 2. ARB bei 13.5% und im 3. ARB bei 18%
(SOEP). Für Kinder ist das Armutsrisiko von 15% im Jahr 2003 auf 26% im Jahr 2005 (SOEP) angestiegen.

Beschäftigungssituation

Zwar ging die Arbeitslosenquote zurück (von 13% in 2005 auf 10,1% in 2007), die Armutslöhne nahmen allerdings zu. Der Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnbereich lag 2005 bei 36,4%. Ursache hierfür ist die massive Ausweitung des Niedriglohnsektors. Prekäre Beschäftigung drückt auf das allgemeine Lohnniveau (Lohndumping). Das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen ist stetig gesunken:

Von 19.255 Euro imJahr 2002 auf 18.778 Euro im Jahr 2005. Gleichzeitig kam es zu einer stark gestiegenen Spreizung der Lohneinkommen zwischen den Armutslöhnen einerseits und Managergehältern andererseits. Die Kaufkraft sinkt (Preissteigerungen bei Lebensmitteln, Kraftstoff und Energie), die Mittelschicht schrumpft. Diese Entwicklung, die im 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung aufgezeigt wird, müssen wir umkehren. Politische Entscheidungen der vergangenen Jahre, die diese Entwicklung bewirkt bzw. verstärkt haben, müssen korrigiert werden. Klar muss sein: Die SPD ist die einzige Partei, die die Kraft und den Willen hat, Armut in Deutschland zu bekämpfen und Aufstiegschancen zu garantieren.

(Anmerkung: Wahlkampftaktik oder ehrlicher Wille? Jetzt zählen nur noch Taten)

Nach der Statistik, die im 1. und 2. ARB angewandt wurde (SOEP: Sozio-ökonomisches Panel), liegt die Einkommensarmutsrisikoquote2005 bei 18% (2003: 13,5%) und ist die Armutsrisikoquote für Kinder auf 26% gestiegen (2003: 15%). Die Daten, die im 3. ARB nach der Methode EU-SILC (Community Statistics on Income and Living Conditions) erhoben wurden, zeigen eine nicht ganz so negative Bilanz, sind aber nicht vergleichbar. In der Öffentlichkeit darf nicht der Eindruck entstehen, die SPD würde im 3. ARB die Ergebnisse beschönigen.

Reichtum nutzen, Armut bekämpfen, Mittelschicht stärken-
  • Durch sozialdemokratische Arbeits- und Arbeitsmarktpolitik Einführung eines gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohns.
  • Beschränkung von Leiharbeit und Abschaffung der Befristung ohne Sachgrund.
  • Gleiche Rechte für Leiharbeiter/innen und Stammbelegschaft.
  • Begrenzung der Höchststundenzahl im Rahmen eines Minijobs auf 15 Stunden,
  • Einbeziehung aller Beschäftigungsverhältnisse oberhalb einer Bagatellgrenze in die Sozialversicherungspflicht.
  • Gesetzliche Regelung für Praktikanten/Praktikantinnen.
  • Umwandlung der 1-Euro-Jobs in sozialversichungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.
  • Ausbau von Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen.
  • Ausbau des öffentlichen Beschäftigungssektors, insbesondere im vorschulischen und schulischen Bereich (Ganztagseinrichtungen mit qualifiziertem Personal). Durch sozialdemokratische Bildungsoffensive Recht auf Bildung für alle.
  • Flächendeckendes und gebührenfreies Angebot von Ganztagesbetreuungsangeboten und Ganztagsschulen.
  • Längeres gemeinsames Lernen: Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems.
  • Gebührenfreiheit des Erststudiums und Eintreten für ein angemessenes BaföG.
  • Weiterentwicklung des Übergangssystems – qualifizierte Abschlüsse statt Warteschleifen.
  • Stärkung der Weiterbildung.
  • Durch einen starken Sozialstaat Entwicklung der Rente zu einer universalen Sozialversicherung (orientiert am Schweizer Modell): Alle zahlen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit ein, aus allen Einkommensarten und ohne Beitragsbemessungsgrenze. Mindestrente bei langjähriger Beitragszahlung oberhalb des Niveaus der Grundsicherung und Deckelung der Rentenhöhe. Zusätzlich obligatorische Betriebsrente.
  • Zurücknahme der Rente mit 67. Fortführung der Altersteilzeitregelung und Einführung einer Altersgleitzeitregelung (flexibleÜbergänge ins Rentenalter).
  • Teilrente attraktiv machen.
  • Entwicklung der Krankenversicherung / Pflegeversicherung zu Bürgerversicherungen und Finanzierung eines höheren Anteils aus Steuermitteln.
  • Zurücknahme der Zuzahlungen und Praxisgebühren im Gesundheitswesen und Aussetzung des Gesundheitsfonds.
  • Anhebung der Hartz IV-Regelsätze und Einführung eines eigenständigen Regelsatzes für Kinder,
  • Ausweitung der einmaligen Bedarfe, deutliche Anhebung des Vermögensfreibetrages.
  • Durch gerechte Steuern Wiedereinführung der Vermögenssteuer, weil bereits ein Vermögenssteuersatz von 1% zu Mehreinnahmen von 16 Milliarden Euro führen würde (bei einem Freibetrag von 500.000Euro), die für Investitionen in Bildung und Kinderbetreuung verwendet werden. Ausgestaltung der Erbschaftssteuer mit dem Ziel eines Aufkommens von wenigstens 10Mrd. Euro, bei hohen Freibeträgen für Ehegatten und Kinder. Steuerwettbewerb begrenzen durch Harmonisierung des Unternehmenssteuerrechts und Gewährleistung von Mindeststeuersätzen auf europäischer Ebene, um die Steuerzahlunginternationaler Unternehmen zu sichern.
  • Steueroasen trocken legen: Verstärkte Bekämpfung von Steuerhinterziehung durch personelle Verstärkung bei Betriebsprüfungen sowie Steuerfahndung durch die Länder und Erhöhung des politischen Drucks auf internationaler Ebene.
  • Neujustierung der Progression bei der Einkommenssteuer. Die unteren und mittleren Einkommenmüssen entlastet, höchste Einkommen stärker belastet werden.
  • Wiedereinführung einer Entfernungspauschale mit einer spürbaren sozialen Komponente. Neuorientierung des Familienleistungsausgleichs: Vom Ehegattensplitting zukinderbezogenen Leistungen.

Aufruf: Reichtum nutzen, Armut bekämpfen, Mittelschicht stärken

Für eine sozialdemokratische Arbeits- und Arbeitsmarktpolitik – für eine sozialdemokratischeBildungsoffensive – für einen starken Sozialstaat – für gerechtere Steuern.Die SPD ist die einzige Partei, die die Kraft und den Willen hat, Reichtum zu nutzen,Armut zu bekämpfen und die Mittelschicht zu stärken. Über gerechtere Steuern undeine sozialdemokratische Arbeits- und Arbeitsmarktpolitik wollen wir eineBildungsoffensive und einen starken Sozialstaat finanzieren.

Erstunterzeichner/Innen:

  • Klaus Barthel, MdB
  • Thomas Beyer, MdL, Vorsitzender AWO Bayern, stellv. Vorsitzender Landtagsfraktion
  • Rainer Bliesener, DGB-Landesvorsitzender BW
  • Willi Brase, MdB
  • Leni Breymaier, Bezirksvorsitzende, Ver.di BW
  • Marco Bülow, MdB
  • Martin Burkert, MdB
  • Dr. Herta Däubler-Gmelin, MdB
  • Bernd Dreute, BR-Vorsitzender Krombacher Brauerei
  • Hartwig Durt, Gewerkschaftssekretär, Siegen
  • Prof. Dr. Dieter Eißel, Uni Gießen
  • Peter Falk, Vorsitzender Bezirkstagsfraktion Oberbayern
  • Udo Gebhardt, DGB-Landesvorsitzender Sachsen-Anhalt
  • Renate Gradistanac, MdB
  • Gernot Grumbach, MdL, stellv. Landesvorsitzender Hessen
  • Wolfgang Gunkel, MdBRita Haller-Haid, MdL, Tübingen
  • Günter Hensch, Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt, Siegen
  • Dierk Hirschel, DGB
  • Wolfgang Jörg, MdL, Vorsitzender SPD-UB Hagen
  • Herbert Kastner, Betriebsratsvorsitzender ThyssenKrupp, Bochum
  • Klaus Kirschner, MdB a. D.
  • Stefan Körzell, DGB-Gewerkschaftssekretär
  • Bärbel Kofler, MdB
  • Andrea Kocsis, Bundesvorstand Ver.di
  • Lothar Krauß, Vorsitzender Gewerkschaft Transnet
  • Wolfgang Kreissl-Dörfler, MdEP
  • Georg Kronawitter, Oberbürgermeister a. D.
  • Helga Lopez, MdB
  • Hanjo Lucassen, DGB-Landesvorsitzender Sachsen
  • Udo Lutz, AfA-Vorsitzender BW, Betriebsrat bei Bosch/Stuttgart
  • Lothar Mark, MdBClaus Matecki, DGB-Gewerkschaftssekretär
  • Hilde Mattheis, MdB
  • Margret Mönig-Raane, Bundesvorstand Ver.di
  • Albrecht Müller, MdB a. D., Journalist
  • Detlef Müller, MdB
  • Dietmar Muscheid, DGB-Landesvorsitzender Rheinland-Pfalz
  • Wolfgang Otto, Betriebsratsvorsitzender ThyssenKrupp
  • Gerold Reichenbach, MdB
  • Sigrid Reihs, Landessozialpfarrerin Evangelische Kirche Westfalen
  • René Röspel, MdB
  • Christine Rudolf, MdL BW
  • Adelheid Rupp, MdL, AsF-Vorsitzende Bayern
  • Armin Schild, Gewerkschaftssekretär IG Metall
  • Horst Schmidbauer, MdB a. D., Parteiratsmitglied
  • Guntram Schneider, DGB-Vorsitzender NRW
  • Paul Schobel, Betriebsseelsorger, Böblingen
  • Ottmar Schreiner, MdB
  • Lothar Schröder, Bundesvorstand Ver.di
  • Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, MdB a. D.
  • Andreas Steppuhn, MdB
  • Jella Teuchner, MdB
  • Rüdiger Veit, MdB
  • Gerold Vogel, Vorsitzender Europäischer Betriebsrat ThyssenKrupp AG
  • Eberhard Weber, Gewerkschaftssekretär, Dortmund
  • Jürgen Weiskirch, Bezirksgeschäftsführer Ver.di, Siegen
  • Klaus Wiesehügel, Bundesvorsitzender IG Bau
  • Ludwig Wörner, MdL, AfA-Vorsitzender Bayern
  • Uta Zapf, MdB

Stand: 1. September 2008

2 Kommentare:

Hardy Riedel hat gesagt…

Man weiß also ganz genau was in diesem heutigen Deutschland schief läuft. Doch sollten jetzt den Worten ganz schnell Taten folgen!

Harry Gambler hat gesagt…

Seit der Behanntgabe des Armutsreports sind von der Koalition der Absahner (CDU/SPD) neue Angriffe auf Teile der Einkommensstruktur der Bevölkerung geplant. Einmal die Kürzung der Invalidenrente um 10 %, was wierderum zu Lasten einkommensschwacher Gruppen geht und die Aufhebung der Prozessbeihilfe für Hartz IV Empfänger oder den Aufstockern, so mit können sich diese in Zukunf nicht mehr vor Gericht wehren, ob gegen falsche Hartz IV Bescheide oder Wohnungskündigungen.